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1396 AN Praeses dixit ad hippolytumModus 1

1395AN 11398

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Praeses dixit ad hippolytum  / factus es insipiens : 
ut nuditatem tuam / non erubescas.

1MED triv
1TER de5

2INC cad ad4 +
1TER de5

Der Kaiser sagte zu Hippolyt / Du bist verrückt geworden : dass du wegen deiner Nacktheit / nicht errötest.

Eine sehr eigenwillige Antiphon und trotzdem völlig den Assoziationsregeln entsprechend: Sie steht als zweite in einer Reihe von sechs Laudes-Antiphonen (1395-1400), die fortlaufend aus der vita des Hippolyt erzählen.

Der Komponist liest den Text als zwei selbstständige Sätze, die beide mit 1TER de5 abgeschlossen werden. Der erste Satz schließt mit Doppelpunkt oder Fragezeichen oder Ausrufezeichen, alle drei Bedeutungen sind bei diesen Satz möglich und mitgedacht :„du bist verrückt“. Die zweite Terminatio, beginnend mit Pes und Torculus, die „tuam“ stark hervorheben und abrunden (nicht übertreiben: m=mediocriter!), müsste mit „mi“ fortfahren. Das „fa“ an seiner Stelle deutet die Ratlosigkeit des Kaisers, oder wie immer man die Gefühle des Sprechers nennen will, nahezu perfekt. Das „fa“ und der folgenden kPes sind durch die Buchstaben in der adiastematischen Handschrift H fast zweifelsfrei festgelegt: levare, höher als der Normalfall = fa, kPes unisonisch anschließen =equaliter, das sursum für den zweiten Ton des Pes muss jedenfalls emotional gedeutet werden, könnte aber zusätzlich der Hinweis auf eine 1FML la-fa-re sein. Dafür findet sich kein zusätzlicher Hinweis. Weil 1FML la-fa-re sonst immer mit Pes sol-la beginnt ist das equaliter wohl als Argument gegen diese Übersteigerung zu lesen. Sie wäre vom Sinn des Textes her auch etwas dick aufgetragen. Alle anderen Handschriften, auch MR, schreiben Standardform der 1TER de5.

Der zweite Satz eröffnet mit 2INC cad ad4 und verschmilzt mit der Terminatio.

Diese zweite Laudesantiphon überhaupt, ihr erster Satz beginnt mit einer Melodie, die nur als BIN triv gelesen werden kann! Die Wahl des Binnecentos am Beginn ist wohl in erster Linie der Fortführung der Geschichte aus der ersten Laudesantiphon zu verdanken, alle Incipits des Protus authenticus wären denkbar, keine allerdings so textdeutend wie diese. 1INC Clv verlangt unmttelbar danach die Sinnspitze. Das ist „factus es insipiens“ nicht. 1INC VrgStr und 1INC ad4 sind zu sehr in sich abgeschlossen, verlangen einen Neuanfang, was dem Text auch keinesfalls entspricht. Ein klassisches BIN triv würde nicht abschließen und ließe offen, wann und ob eine Sinnspitze folgt. Ihre Wirkung wäre traurig spannungslos:

Der Ankläger will den Angeklagten beschämen, das kann nur auf der höchsten Rezitationsebene des Protus authenticus, dem „la“ geschehen. „Práeses díxit“ ist die zweiakzentige Form von MED triv, dann folgt reine Rezitation mit Akzenttorculus auf dem Morphem „híp-po“, der Binnensilben kPes weist das Wort aber als PPO aus; „hippólitum“.