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xaverkainzbauer [Aquitanische Handschriften]
quellen:quellen_gr [2023/12/02 12:01] (aktuell)
xaverkainzbauer [Aquitanische Handschriften]
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-====== Adiastematische Handschriften ======+====== Adiastematische Handschriften (10. Jh.) ======
  
-Das 10. Jahrhundert 
  
-===== westfränkische Handschriften =====+===== Westfränkische Handschriften =====
  
  
-  Laon   930 n.Chr+  Laon (~930)
  
 //Die// Leithandschrift der westfränkischen Tradition ist der codex Laon, 930 in Metz (?) entstanden.  //Die// Leithandschrift der westfränkischen Tradition ist der codex Laon, 930 in Metz (?) entstanden. 
-Er steht weitgehend isoliert unter den Handschriften und hat keine Entsprechung im Antiphonenrepertoire. Die Besonderheit des Codex ist der „uncinus“, das Häckchen (Agustoni), das die ältere Musikwissenschaft "Fliegenfuß" nennt, ein geschwungener Tractulus mit Aufstrich; er steht für die normale Silbe. Ein melodischer Höhepunkt wird hingegen mit aufwendiger Virga notiert, leichte praetonische Silben mit bloßem Punctum. Der unschätzbare Wert dieses Codex ist sein Bemühen, die Endartikulation jeder Silbe zu notieren. Erst Laon ermöglicht uns, die St.Galler Notenschrift nicht misszuverstehen. Aus dieser Position heraus wurde das Graduale triplex publiziert:\\  +Er steht weitgehend isoliert unter den Handschriften und hat keine Entsprechung im Antiphonenrepertoire. Die Besonderheit des Codex ist der „Uncinus“, das Häkchen (Agustoni), das die ältere Musikwissenschaft "Fliegenfuß" nennt, ein geschwungener Tractulus mit Aufstrich; er steht für die normale Silbe. Ein melodischer Höhepunkt wird hingegen mit aufwendiger Virga notiert, leichte praetonische Silben mit bloßem Punctum. Der unschätzbare Wert dieses Codex ist sein Bemühen, die Endartikulation jeder Silbe zu notieren. Erst Laon ermöglicht uns, die St. Galler Notenschrift nicht misszuverstehen. Aus dieser Position heraus wurde das Graduale triplex publiziert:\\  
-a) Die Quadratnoten des Graduale romanum von Solesmes,\\ +a) die Quadratnoten des Graduale romanum von Solesmes,\\ 
-b) Die Neuem von St.Gallen (R.Fischer), sie artikulatorisch zu interpretieren/korrigieren und\\  +b) die Neuem von St. Gallen (R.Fischer), sie artikulatorisch zu interpretieren/korrigieren und\\  
-c) Die Neumen von Laon (M.-C. Billecqocq) um St.Gallen (C,E) nicht falsch zu interpretieren.\\+c) die Neumen von Laon (M.-C. Billecqocq) um St. Gallen (C, E) nicht falsch zu interpretieren.\\
 Das Graduale triplex ist den Schülern von Eugene Cardine verdankt. Das Graduale triplex ist den Schülern von Eugene Cardine verdankt.
  
  
-  Chartres  10.Jh.+  Chartres (10. Jh.)
  
 Ch notiert sehr konsequent initio debilis. Ch notiert sehr konsequent initio debilis.
-Es unterscheidet nicht Quilisma von Oriscus. Es ist ein und dasselbe Zeichen. In [[grad:1056]] einige interessante Vergleiche möglich; sieh auch L und E.+Es unterscheidet nicht Quilisma von Oriscus, die in der Handschrift mit ein und demselben Zeichen dargestellt werden. In [[grad:1056]] einige interessante Vergleiche möglich; sieh auch L und E.
  
 +Unklar zu definierende Neume: c Trc i.d. oder Clv currens.
  
-  Mont Renaud 10.Jh.+  Mont Renaud (10. Jh.)
      
 Es ist vor allem bei melismatischen Kompositionen schwer festzustellen, wo eine Melodie weiterführt. Wichtig ist, dass bei jeder Silbe die Neumen wieder unmittelbar über den Buchstaben beginnen. Es ist vor allem bei melismatischen Kompositionen schwer festzustellen, wo eine Melodie weiterführt. Wichtig ist, dass bei jeder Silbe die Neumen wieder unmittelbar über den Buchstaben beginnen.
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 === Torculus === === Torculus ===
  
-MR verwendet drei unterschiedliche Graphien des Trc: eine eckige für den Normalfall (Trc quadratus?), eine Graphie bei der der erste Ton abgetrennt ist, diese steht für den nkTr, und eine gerundete Form (Trc rotundus).+MR verwendet drei unterschiedliche Graphien des Trc: eine eckige für den Normalfall (Trc quadratus?), eine Graphie bei der der erste Ton abgetrennt ist, diese steht für den nkTrc, und eine gerundete Form (Trc rotundus).
  
 {{ :quellen:3trc_3x_mr.png?200|}} {{ :quellen:3trc_3x_mr.png?200|}}
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 Trc i.d. **von unten** erreicht:  [[grad:0033]] "hodie **ge**-nui te", [[grad:0025]] "clarifica-**tu**-rus esset", [[grad:0012]] "in-**vo**-cavi te".\\  Trc i.d. **von unten** erreicht:  [[grad:0033]] "hodie **ge**-nui te", [[grad:0025]] "clarifica-**tu**-rus esset", [[grad:0012]] "in-**vo**-cavi te".\\ 
 Trc i.d. **unisonisch** erreicht: [[grad:0033]] "i-**ter** haberet", [[grad:0050]]  "adversum **me**", [[grad:0070]] "petitiones **ves**-trae". MR setzt sehr oft die Trc i.d. anders als E, L und Ch, ohne dabei die Sprechlogik zu verletzen. Das gibt diesem codex seinen Stellenwert, er ist nicht bloß ´more of the same`. Trc i.d. **unisonisch** erreicht: [[grad:0033]] "i-**ter** haberet", [[grad:0050]]  "adversum **me**", [[grad:0070]] "petitiones **ves**-trae". MR setzt sehr oft die Trc i.d. anders als E, L und Ch, ohne dabei die Sprechlogik zu verletzen. Das gibt diesem codex seinen Stellenwert, er ist nicht bloß ´more of the same`.
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-===== ostfränkische  Handschriften - St.Gallen ===== 
  
-  Cantatorium  G    923 n.Chr+===== Ostfränkische Handschriften – StGallen =====
  
-xxxxxxxxxxxx+  Cantatorium (~923)
  
-  Einsiedeln    
-   
-   
 xxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxx
  
-  G342+  Einsiedeln (~980) 
 + 
 +Das älteste vollständig erhaltene Missale gegen 1000. Die Forscher rund um P.Wagner hielten es wegen der vielen litterae significativae für eine späte (14.Jh.) Quelle. Tatsächlich zeigt sie gegenüber den älteren Handschriften wie L, C, H bereits eine Tendenz zu do-Revision etc. Die Restitution des Cantus im 19./20.Jahrhundert interpretierte die adiastematischen Quellen von den jüngeren her. Die Vermutung bietet sich an, die Interpretation des 'equaliter' in E für Einklang und Halbton, sei eine Interpretation ex parte post. Umgekehrt: das 'equaliter' bedeutet einen unisonischen Anschluss, wo authentisch ein Halbton stand. 
 +cf.: [[ant:0676]] <fc #4682b4>"altare"</fc>.\\ 
 +**Grundsätzliche Fragen** [[quellen_gr_e| ▶️]] 🔴 
 + 
 +  G342 (10. Jh.)
  
 xxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxx
  
-  Milano   9.Jh+  Milano (9. Jh.)
      
 xxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxx
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 xxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxx
  
-  Bamberg lit.6 +  Bamberg lit. 6 (10. Jh.)
      
      
 xxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxx
  
-  G374+  G374 + 376
      
-   
-xxxxxxxxxxxx 
  
-  G376 
      
      
-====== ab dem 11. Jh. der Weg zur Diastemie ======+====== Der Weg zur Diastemie (ab dem 11. Jh.======
  
  
-ab dem 11. Jh. 
  
  
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   Albi     Albi  
  
-Es gibt ein Wiederholungszeichen auf der Textzeile cf.[[grad:1392]]+Es gibt ein Wiederholungszeichen auf der Textzeilecf. [[grad:1392]], [[grad:1413]]. Es ähnelt einer modernen Achtelnote. Wie übertragen es als fetten Punkt in der Textzeile. 
 + 
 +Albi liefert durchaus komplexere Melodieverläufe, die uns auf den authentischen Choral verweisen können, die nun plötzlich auch Buchstaben von E schlüssig machen, cf. [[grad:0702]]. 
 + 
 +A bringt die realen Intervalle ohne Rücksicht auf Vorzeichen. Y verschiebt, um Halbtöne richtig zu notieren.
  
  
      
   Yrieix   Yrieix
-  + 
 +A bringt die realen Intervalle ohne Rücksicht auf Vorzeichen. Y verschiebt, um Halbtöne richtig zu notieren.
      
 ===== Beneventanische Handschriften  ===== ===== Beneventanische Handschriften  =====
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   Bv33   Bv33
-xxxxxxxxxxxx+ 
 +{{ :quellen:0603_bv33_quilisma.png?300|}} 
 +**Quilisma**\\ 
 +Während in anderen adiastematischen Handschriften der Pes quilismaticus aus drei Zeichen zusammemngesetzt ist, ein erster Ton (Virga oder Tractulus), das Quilisma als Distanzzeichen und der zweite (Ziel-)Ton, steht in Bv33 das Quilisma für den ersten Ton des Pes und zeigt gleichzeitig an, dass der zweite Ton höher ist als eine Sekund, meistens eine Terz. 
 + 
 +=== Acuasta ===
      
   Bv40   Bv40
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-===== norditalienische Handschriften  =====+===== Norditalienische Handschriften  =====
      
      
   Angelica   Angelica
-Auch wenn Ang adiastematisch ist, ist es doch eine jüngere Handschrift. Sie geht oft mit Mod gemeinsam (cf[[grad:1515]]).+Auch wenn Ang adiastematisch ist, ist es doch eine jüngere Handschrift. Sie geht oft mit Mod gemeinsam (cf[[grad:1515]]).
      
      
      
-Quilismaproblem GR3 - 0212 "ini**mi**cos", TR8 - 1505 "Effude**runt**"+Quilismaproblem GR3 - 0212 "ini-**mi**-cos", TR8 - 1505 "Effude**runt**"
      
-litterae:  p, n  OF-V1 0917 "et iustitiam";   p, s  OF-V1 0918 "montes"+litterae: p, n  OF-V1 0917 "et iustitiam";   p, s  OF-V1 0918 "montes"
      
      
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-===== weitere Handschriften die Wahl von Solesmes =====+===== Weitere Handschriften – die Wahl von Solesmes =====
  
 Die beiden folgenden Handschriften sind die Hauptquellen der Solesmenser Restauration gewesen, was die Melodie betrifft. Das Tonar von Montpellier war Hauptquelle, Klosterneuburg in Zweifelsfragen die Entscheidungshilfe.  Die beiden folgenden Handschriften sind die Hauptquellen der Solesmenser Restauration gewesen, was die Melodie betrifft. Das Tonar von Montpellier war Hauptquelle, Klosterneuburg in Zweifelsfragen die Entscheidungshilfe. 
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 Halbtonhäkchen bei si-be-molle  cf.[[grad:1009]] "adipsum ore meo" Halbtonhäkchen bei si-be-molle  cf.[[grad:1009]] "adipsum ore meo"
  
-  Klosterneuburg     heute Graz 807+  Klosterneuburg (heute Graz 807)
  
-Entstanden in Passau, wurde der codex bis Mitte 20.Jh im Chorherrenstift Klosterneuburg aufbewahrt (Staatskloster der Babenberger Herzöge) und liegt heute in der Universitätsbibliothek Graz. Der Codex Klosterneuburg/Graz807 ist //die// Quelle des "germanischen Choraldialekts"+Entstanden in Passau, wurde der codex bis Mitte des 20. Jhs. im Chorherrenstift Klosterneuburg aufbewahrt (Staatskloster der Babenberger Herzöge) und liegt heute in der Universitätsbibliothek Graz. Der codex Klosterneuburg ist //die// Quelle des "germanischen Choraldialekts“.
  
 Die Melodieeigenheiten des "germanischen Choraldialekts" sind in zwei Punkten erklärt:\\ Die Melodieeigenheiten des "germanischen Choraldialekts" sind in zwei Punkten erklärt:\\
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 Der Begriff "germanischer Choraldialekt" entstand Anfang des 20.Jahrhunderts, am Vorabend des ersten Weltkrieges. Die **geographische** Zuordnung zum ostfränkischen Raum ("germanisch") ist nur eine mögliche Dimension. Die Auflösung des "si" zum "do" ist ein Phänomen des 12.Jahrhunderts, vielleicht mehr ein **zeitliches** als ein geographisches Phänomen, findet es sich doch nicht nur in ostfränkischen, nunmehr deutschen Handschriften, sondern auch in der Zisterziensertradition und sogar in nordfranzösischen Quellen (Fossés 2, Paris). Die Auflösung des "si" zum "do" ist ein Phänomen des Hochmittelalters. Das kulturelle Zentrum war in dieser Zeit das Burgund mit den Klöstern Cluny und Citeaux. Der Begriff "germanischer Choraldialekt" entstand Anfang des 20.Jahrhunderts, am Vorabend des ersten Weltkrieges. Die **geographische** Zuordnung zum ostfränkischen Raum ("germanisch") ist nur eine mögliche Dimension. Die Auflösung des "si" zum "do" ist ein Phänomen des 12.Jahrhunderts, vielleicht mehr ein **zeitliches** als ein geographisches Phänomen, findet es sich doch nicht nur in ostfränkischen, nunmehr deutschen Handschriften, sondern auch in der Zisterziensertradition und sogar in nordfranzösischen Quellen (Fossés 2, Paris). Die Auflösung des "si" zum "do" ist ein Phänomen des Hochmittelalters. Das kulturelle Zentrum war in dieser Zeit das Burgund mit den Klöstern Cluny und Citeaux.
  
-Eine befriedigender Begriff für dieses Phänomen wurde bisher nicht gefunden.+Wir bezeichnen diese Eigenart als "Do-Revision" des Hochmittelalters.
      
  
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   Zwettl 196    Zwettl 196 
-Die Zisterzienser sind die ersten "Musikwissenschaftler" des Mittelalters. Sie versuchen den "ursprünglichen Gregorianischen Choral" mit den Mitteln und aus den Postitionen ihrer Zeit wiederherzustellen. Sie suchen Quellen (in Metz!) und finden wenig. Ihre Revision geht von einem Maximalambitus der Decim aus (die zehnseitige Harfe Davids) und verkürzt und "normalisiert" nicht selten Melismen. Als Zeitgenossen des "germanischen Choraldialekts" stehen sie in einem eigenartigen Spannungsverhältnis zwischen dem Zeitgeist und den Quellen. Wesentlich für uns heute: sie kennen kein Quilisma und übertragen den (bisher so genannten) "Quilsmascandicus" grundsätzlich als "Terzpes". 
  
-Die zentralistisch hierarchische Struktur des Ordens führt zu einer uniformen und unveränderten Gestalt der Melodien durch die acht Jahrhunderte bis heute, von kleinsten regionalen Anpassungen vor allem im 19.Jahrhundert abgesehen.+Die Zisterzienser sind die ersten "Musikwissenschaftler" des Mittelalters. Sie versuchen den "ursprünglichen Gregorianischen Choral" mit den Mitteln und aus den Postitionen ihrer Zeit wiederherzustellen. Sie suchen Quellen (in Metz!) und finden wenig. Ihre Revision geht von einem Maximalambitus der Dezim aus (die zehnseitige Harfe Davids) und verkürzt und "normalisiert" nicht selten MelismenAls Zeitgenossen des "germanischen Choraldialekts" stehen sie in einem eigenartigen Spannungsverhältnis zwischen dem Zeitgeist und den Quellen. Wesentlich für uns heute: Sie kennen kein Quilisma und übertragen den (bisher so genannten) "Quilsmascandicus" grundsätzlich als "Terzpes".
  
-Auch viele Korrekturen, die das Tridentinum viel später offiziell und allgemein vornimmt, sind schon bei den Zisterziensern vorgegeben: Etwaige zweite Verse im AL werden gestrichen. Die OF - Verse fallen grundsätzlich und ausnahmslos weg. +Die zentralistisch hierarchische Struktur des Ordens führt zu einer uniformen und unveränderten Gestalt der Melodien durch die acht Jahrhunderte bis heute, von kleinsten regionalen Anpassungen vor allem im 19. Jahrhundert abgesehen. 
 + 
 +Auch viele Korrekturen, die das Tridentinum viel später offiziell und allgemein vornimmt, sind schon bei den Zisterziensern vorgegeben: Etwaige zweite Verse im AL werden gestrichen. Die OF-Verse fallen grundsätzlich und ausnahmslos weg.
  
  
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 Maß aller Dinge ist das Cantatorium (für GR, TR und AL) und Einsiedeln (für IN, OF und CO). Maß aller Dinge ist das Cantatorium (für GR, TR und AL) und Einsiedeln (für IN, OF und CO).
 +Für das Off-Repertoire (AN, RP) ist das Maß aller Dinge codex Hartker.
  
-Die **Melodierestitution** beruht trotz der späten Datierung dieser Handschrift auf Benevent 34, das durch eine ganze Reihe älterer beneventanischer Handschriften gut abgesichert ist (Bv 33/ 40/ 39/ 35). Dem entgegen stehen die beiden Aquitanier Albi und Yrieix, die ein lebendiges Bild vom Übergang zur zweiten Gregorianik liefern. +Die **Melodierestitution** beruht trotz der späten Datierung dieser Handschrift auf Benevent 34, das durch eine ganze Reihe älterer beneventanischer Handschriften gut abgesichert ist (Bv 33/ 40/ 39/ 35). Dem entgegen stehen die beiden Aquitanier Albi und Yrieix, die ein lebendiges Bild vom Übergang zur zweiten Gregorianik liefern. \\
 Wie schon Rupert Fischer formulierte: Benevent contra Aquitanien ist 50 : 50 zu werten. Stimmt auch nur eine der aquitanischen Handschriften mit Bv34 überein, so ist das die zu restituierende Melodie (sehr oft durch die litterae signifivativae in E, oder die unvollkommene Diastemie in L und Ch bestätigt). Die weiteren diastematischen Handschriften bieten ein gutes Bild davon, wie sich die Melodien zur 2. Gregorianik hin verändern und wie es zur Solesmenser Restitution kommen konnte. Wie schon Rupert Fischer formulierte: Benevent contra Aquitanien ist 50 : 50 zu werten. Stimmt auch nur eine der aquitanischen Handschriften mit Bv34 überein, so ist das die zu restituierende Melodie (sehr oft durch die litterae signifivativae in E, oder die unvollkommene Diastemie in L und Ch bestätigt). Die weiteren diastematischen Handschriften bieten ein gutes Bild davon, wie sich die Melodien zur 2. Gregorianik hin verändern und wie es zur Solesmenser Restitution kommen konnte.
  
-Die **Restitution der Artikulation** (des gregorianischen Rhythmus) geht ebenfalls von Cantatorium und Einsiedeln aus. Die st.galler Notation wäre jedoch nicht ohne die Entschlüsselung und Bestätigung durch die sehr anders geartete, aber das Gleiche bedeutende Notation in Laon und Chartres zu verstehen. +Die **Restitution der Artikulation** (des gregorianischen Rhythmus) geht ebenfalls von Cantatorium und Einsiedeln aus. Die StGaller Notation wäre jedoch nicht ohne die Entschlüsselung und Bestätigung durch die sehr anders geartete, aber das Gleiche bedeutende Notation in Laon und Chartres zu verstehen. 
  
 Eine Neume beginnt nicht mit der ersten Note, aber sie hört mit der letzten auf (L. Agustoni). Eine Neume beginnt nicht mit der ersten Note, aber sie hört mit der letzten auf (L. Agustoni).
  
-Das Graduale novum (es beruht auf einem Forschungsprojekt, das G. Joppich initiiert hatte) setzt sich konsequent mit der Melodierestitution auseinander. Auf artikulatorische Erkenntnisse geht es praktisch nicht ein. Die Mitte des 19. Jh. von Joseph Pothier geschaffene Quadratnotenschrift (inspiriert von den Hss des 15. Jh. in Angers Westfrankreich) wird ohne Wenn und Aber weiterverwendet.+Das Graduale Novum (es beruht auf einem Forschungsprojekt, das G. Joppich initiiert hatte) setzt sich konsequent mit der Melodierestitution auseinander. Auf artikulatorische Erkenntnisse geht es praktisch nicht ein. Die Mitte des 19. Jh. von Joseph Pothier geschaffene Quadratnotenschrift (inspiriert von den Hss des 15. Jh. in Angers Westfrankreich) wird ohne Wenn und Aber weiterverwendet.
  
 {{ :quellen:gph_restit1.png?150|}} {{ :quellen:gph_restit1.png?150|}}
  
-Unsere Restitution berücksichtigt auch artikulatorische Fragen und entwickelt die Quadratnotenschrift den artikulatorischen Erkenntnissen entsprechend weiter. Dabei ist klar, dass keine Notenschrift auf Linien die artikulatorischen Feinheiten der Neumen in ihrer Blütezeit restlos darstellen kann. Wir versuchen ein Notenbild zu entwickeln, das nicht ständig in eklatantem Widerspruch zu den Neumen steht, wie das im Graduale romanum (triplex), aber auch im Graduale novum passiert.+Unsere Restitution berücksichtigt auch artikulatorische Fragen und entwickelt die Quadratnotenschrift den artikulatorischen Erkenntnissen entsprechend weiter. Dabei ist klar, dass keine Notenschrift auf Linien die artikulatorischen Feinheiten der Neumen in ihrer Blütezeit restlos darstellen kann. Wir versuchen ein Notenbild zu entwickeln, das nicht ständig in eklatantem Widerspruch zu den Neumen steht, wie das im Graduale romanum (triplex), aber auch im Graduale Novum passiert.
  
 Ein weiterer wesentlicher Ansatz sind die Sinnzeilen. Während Solesmes bewusst nicht oder kaum an sprachlichen Endpunkten den Zeilenumbruch setzt, Hintergedanke ist die "ewige Melodie" der Romantik, setzen wir grundsätzlich nur an Satzenden und Gliederungsstellen den Zeilenumbruch. Das führt zu unterschiedlich langen Zeilen im Druckbild. So können wir auch auf die divisiones weitgehend verzichten. Ein weiterer wesentlicher Ansatz sind die Sinnzeilen. Während Solesmes bewusst nicht oder kaum an sprachlichen Endpunkten den Zeilenumbruch setzt, Hintergedanke ist die "ewige Melodie" der Romantik, setzen wir grundsätzlich nur an Satzenden und Gliederungsstellen den Zeilenumbruch. Das führt zu unterschiedlich langen Zeilen im Druckbild. So können wir auch auf die divisiones weitgehend verzichten.
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 Gregorianischer Choral ist nicht allzeit immer dasselbe gewesen, es gab eine historische Entwicklung. Wir gehen ad fontes. Gregorianischer Choral ist nicht allzeit immer dasselbe gewesen, es gab eine historische Entwicklung. Wir gehen ad fontes.
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quellen/quellen_gr.1524560657.txt.gz · Zuletzt geändert: 2018/04/24 09:04 von xaverkainzbauer