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antiphon:einleitung

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georgwais [Paleographie – Semiologie – Centologie]
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-===== Paleographie – Semiologie – Centologie =====+===== Paläographie – Semiologie – Centologie =====
  
-Mit der Wiederentdeckung des Gregorianischen Chorals nach der französischen Revolution durch **<fc #008080>Prosper Gueranger</fc>** und sein Kloster **Solesmes**, aber auch durch die am Ende des 19. Jahrhunderts junge Musikwissenschaft an den Universitäten Europas, allen voran **<fc #008080>Peter Wagner</fc>** in Freiburg/Schweiz ging es darum, die Quellen **<fc #ff0000>paleographisch</fc>** aufzuarbeiten. Solesmes hat mit seiner "paleo" das Wettrennen eindeutig für sich entschieden und sich damit das Monopol über die Quellen auf Jahrzehnte gesichert und durch die "editio typica" auch ein angeblich kirchenrechtlich gesichertes Monopol über die Rezeption geschaffen, das von manchen Kreisen auch heute noch eingefordert wird. Damit war die Beschäftigung mit dem Cantus Gregorianus auf dem Stand von 1883 (Pothier) eingefroren.+Mit der Wiederentdeckung des Gregorianischen Chorals nach der französischen Revolution durch **<fc #008080>Prosper Gueranger</fc>** und sein Kloster **Solesmes**, aber auch durch die am Ende des 19. Jahrhunderts junge Musikwissenschaft an den Universitäten Europas, allen voran **<fc #008080>Peter Wagner</fc>** in Freiburg/Schweiz ging es darum, die Quellen **<fc #ff0000>paläographisch</fc>** aufzuarbeiten. Solesmes hat mit seiner "Paléographie musicale" das Wettrennen eindeutig für sich entschieden und sich damit das Monopol über die Quellen auf Jahrzehnte gesichert und durch die "editio typica" auch ein angeblich kirchenrechtlich gesichertes Monopol über die Rezeption geschaffen, das von manchen Kreisen auch heute noch eingefordert wird. Damit war die Beschäftigung mit dem Cantus Gregorianus auf dem Stand von 1883 (Pothier) eingefroren.
  
-**<fc #008080>Eugene Cardine</fc>**, selbst Mönch in Solesmes, durchbricht diese Paralyse, indem er die St.Galler Handschriften nach dem Sinn ihrer Episeme, Zusatzbuchstaben, Sonderformen der Neumen etc. befragt. Er begründet die **<fc #ff0000>Semiologie</fc>** und sucht den eigentlichen **Sinn** der Zeichen zu ergründen. Gleichzeitig hat die zünftige Paleographie vieles über das Alter und den Stellenwert der Handschriften dazugelernt.  In seiner Praxis selbst nie über eine bessere Paleographie hinausgekommen, legte Cardine den Grundstein für ein Verständnis der Choralmelodien von der Sprache her. Diesen Weg ging sein Schüler **<fc #008080>Godehard Joppich</fc>** konsequent weiter. Dessen Erkenntnisse zur Liqueszenz, zu "ritenuto, ritardando und accelerando" x), zum sprachlichen Zugriff, haben erst das Tor zu einer wirklich **wortgezeugten**, einer **artikulierenden** Gregorianik geöffnet.+**<fc #008080>Eugene Cardine</fc>**, selbst Mönch in Solesmes, durchbricht diese Paralyse, indem er die St. Galler Handschriften nach dem Sinn ihrer Episeme, Zusatzbuchstaben, Sonderformen der Neumen etc. befragt. Er begründet die **<fc #ff0000>Semiologie</fc>** und sucht den eigentlichen **Sinn** der Zeichen zu ergründen. Gleichzeitig hat die zünftige Paläographie vieles über das Alter und den Stellenwert der Handschriften dazugelernt. In seiner Praxis selbst nie über eine bessere Paläographie hinausgekommen, legte Cardine den Grundstein für ein Verständnis der Choralmelodien von der Sprache her. Diesen Weg ging sein Schüler **<fc #008080>Godehard Joppich</fc>** konsequent weiter. Dessen Erkenntnisse zur Liqueszenz, zu "ritenuto, ritardando und accelerando" (x), zum sprachlichen Zugriff, haben erst das Tor zu einer wirklich **wortgezeugten**, einer **artikulierenden** Gregorianik geöffnet.
  
 Die heutigen digitalen Möglichkeiten, Quellen so aufzubereiten, dass sie ohne Zeitverlust verglichen werden können, sind die Voraussetzung für einen nächsten Schritt. Die gregorianischen Bausteine der Melodien, die **<fc #ff0000>Centones</fc>** aufzufinden, zu markieren und in den wesentlichen Quellen zu vergleichen, bringt eine neue Ebene in die Durchleuchtung der gregorianischen Melodie/Texte. Die Centologie fragt nach der "ars cantilenae", sie fragt, nach welchen Regeln die Melodien gebaut sind. Die heutigen digitalen Möglichkeiten, Quellen so aufzubereiten, dass sie ohne Zeitverlust verglichen werden können, sind die Voraussetzung für einen nächsten Schritt. Die gregorianischen Bausteine der Melodien, die **<fc #ff0000>Centones</fc>** aufzufinden, zu markieren und in den wesentlichen Quellen zu vergleichen, bringt eine neue Ebene in die Durchleuchtung der gregorianischen Melodie/Texte. Die Centologie fragt nach der "ars cantilenae", sie fragt, nach welchen Regeln die Melodien gebaut sind.
antiphon/einleitung.txt · Zuletzt geändert: 2022/05/01 19:38 von georgwais